Gutachten zur Bedeutung von Menthol in E-Zigaretten
Am 28.12.2021 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Stellungnahme zu Aromen in E-Zigaretten veröffentlicht. Titel: “Gesundheitliche Risiken durch Aromen in E-Zigaretten: Es besteht Forschungsbedarf”. [1] Das BfR empfiehlt die Aufnahme von u.a. Menthol in die Liste für verbotene Inhaltsstoffe in elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern (Anlage 2 TaberzV). [2]
Das Bündnis für Tabakfreien Genuss hat den Pharmakologen und Toxikologen Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer gebeten, ein Gutachten zu der Stellungnahme des BfR und im Besonderen zum gesundheitlichen Risiko von Menthol zu erstellen.
Fazit vorab: “Menthol ist bei üblicher Anwendung in E-Zigaretten nicht toxisch. Dessen Verbot würde die Attraktivität des Dampfens mindern und keinesfalls zur Reduktion der Raucherquoten beitragen.”
In seinem Gutachten vom 30.01.2022 [3] verdeutlicht Prof. Mayer die Bedeutung von Menthol für DampferInnen:
- Menthol ist ein häufig verwendetes Aroma in E-Liquids, das nicht nur in Liquids mit Menthol-Geschmack vorkommt, sondern in niedriger Konzentration auch in zahlreichen handelsüblichen Liquids enthalten ist, um deren Geschmack abzurunden.
- Eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Menthol würde die Attraktivität von Fertigliquids vermindern und damit den nachhaltigen Umstieg von RaucherInnen auf das Dampfen erschweren.
- DampferInnen könnten bei einem Verbot mentholhaltiger Liquids ihre Liquids mit ihrem Wunscharoma Menthol aus anderen Quellen versetzen und damit nicht nur das Verbot umgehen, sondern sich auch möglicherweise einer gesundheitsschädlichen Gefahr aussetzen.
- Liquid-Hersteller würden Menthol vermutlich durch alternative Cooling Agents ersetzen, deren Wirkungen auf den Organismus vergleichsweise wenig untersucht sind.
- Menthol verstärkt die atemwegsreizende Wirkung von Nikotin und erlaubt dadurch die Reduktion der erforderlichen Nikotinkonzentration von Liquids.
- Jugendliche können durch Menthol nicht leichter E-Zigaretten konsumieren, da Menthol nicht wie in Tabakzigaretten die Atemwegreizung maskiert, sondern im Dampf von E-Zigaretten verstärkt.
- Menthol ist in Arzneimitteln und zahlreichen anderen Produkten enthalten, die als gesundheitsfördernd gelten und deren vielfältige und langjährige Anwendungen keinen Hinweis auf Schädlichkeit erbrachten.
- Menthol ist als nicht-toxische Substanz in der EU gelistet.
Ab Seite 2 des Gutachtens von Prof. Mayer werden die Erläuterungen des BfR zu Menthol zitiert und mit Gegenkommentaren beantwortet.
Beispiele:
1. BfR: “Die Substanz (Menthol) erleichtert die Inhalation von Aerosolen und die Aufnahme von Nikotin.”
Mayer: “Menthol mag die Inhalation von Tabakrauch erleichtern, hat aber keinen dokumentierten Effekt auf die Aufnahme von Nikotin.”
2. BfR: “Es liegen Studienergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass die Substanz bei der Entstehung von Atemwegserkrankungen eine Rolle spielt.”
Mayer: “Ohne Referenz zu den „Studienergebnissen“ ist diese Behauptung nicht falsifizierbar und damit wertlos. Wenn man Menthol aufgrund vermeintlich gesundheitsschädigender Wirkungen als Zusatzstoff in E-Zigaretten verbietet, müsste man dieser Annahme folgend neben diversen mentholhaltigen ätherischen Ölen und anderen beliebten Erzeugnissen, wie z.B. Fisherman’s Friend, auch mentholhaltige Arzneimittel verbieten, die zur inhalativen Therapie von Erkältungskrankheiten empfohlen werden (z.B. Wick Inhalierstift N).”
“Es gibt keine Evidenz für toxische oder gesundheitsschädliche Wirkungen von Menthol. Als nicht-toxische Substanz ist Menthol nicht in der CLP-Verordnung der EU gelistet und von der FDA als sicher eingestuft.”
3. BfR: “In der deutschen Tabakerzeugnisverordnung ist Menthol bereits verboten.”
Mayer: “Nachdem E-Zigaretten keinen Tabak enthalten und keinen Rauch erzeugen, ist das Verbot von Menthol in Tabakzigaretten für E-Zigaretten nicht relevant. In Anbetracht der wissenschaftlichen Fakten hat der Bundesrat das von der Bundesregierung bereits 2016 angedachte Verbot von Menthol als Aromastoff in E-Liquids abgelehnt und stattdessen eine Höchstmengenregulierung vorgeschlagen. An den Fakten hat sich seither nichts geändert.”
4. BfR: “Drei von zehn Befragten verwenden Menthol- oder Minzgeschmack.”
Mayer: “Auch viele nicht explizit als Menthol- oder Minzeliquids deklarierte Produkte enthalten geringe Konzentrationen an Menthol zur Abrundung des Geschmacks. Deren Mentholgehalt mag nicht unmittelbar evident sein, sodass der Anteil an KonsumentInnen, die mentholhaltige Aromen benutzen, wahrscheinlich deutlich höher als 30 % ist. Das Verbot von Menthol hätte damit massive Einschränkung der Verfügbarkeit beliebter Liquids zur Folge und würde die Attraktivität von E-Zigaretten erheblich mindern. Damit würde der erfolgreiche und nachhaltige Umstieg von RaucherInnen auf das viel weniger gesundheitsschädliche Dampfen erschwert.”
Außerdem erinnert Prof. Mayer an eine bereits erfolgte politische Entscheidung des Bundesrats zu Menthol [4]:
„In Anbetracht der wissenschaftlichen Fakten hat der Bundesrat das von der Bundesregierung bereits 2016 angedachte Verbot von Menthol als Aromastoff in E-Liquids abgelehnt und stattdessen eine Höchstmengenregulierung vorgeschlagen. An den Fakten hat sich seither nichts geändert.“
Bedeutung von Aromen für Jugendliche
Das BfR schreibt in seiner Stellungnahme: “Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass Aromen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene zum Konsum elektronischer Zigaretten anregen, wobei die Vorliebe je nach Altersgruppe und Raucherstatus variiert.” (Seite 5)
Während die älteren Nutzer*innen (über 55 Jahre) vor allem Tabakaromen verwendeten, würden “die jüngeren Befragten viel eher elektronische Zigaretten mit Fruchtgeschmack und etwas häufiger elektronische Zigaretten mit Süßigkeitengeschmack bevorzugen.”
Überhaupt sei der Geschmack für Jugendliche der wichtigste Faktor beim Ausprobieren elektronischer Zigaretten.
Einschätzung des BfTG zur Gefährdung Jugendlicher durch Aromen
Die Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA-Studie) erhebt regelmäßig alle zwei Monate Daten zum Konsum von Tabak und alternativen Nikotinabgabesystemen (z.B. E-Zigaretten), die repräsentativ für die Bevölkerung Deutschlands sind. [5]
Ergebnis der aktuellen DEBRA-Studie (Dez. 2021):
- Der Anteil der jugendlichen Nutzer (14-17 Jahre) von E-Zigaretten liegt bei 0,5 Prozent.
- Die Daten der vorherigen Jahre zeigen einen deutlichen Abwärtstrend in der jugendlichen Nutzung von E-Zigaretten. 2019 lag der Anteil noch bei 1,7 Prozent, 2020 bei 1,6 Prozent.
Angesichts der stark rückläufigen Zahlen und einer insgesamt sehr geringen Nutzung von E-Zigaretten durch Jugendliche ist nicht erkennbar, dass Jugendliche E-Zigaretten vermehrt ausprobieren.
Bedeutung der Aromen für erwachsene E-Zigarettennutzer*innen
Hinzu kommt, dass Aromen eine wesentliche Bedeutung für erwachsene Nutzer besitzen. Diese sind ein wichtiger Anreiz für Raucher, auf die E-Zigarette umzusteigen und für bereits umgestiegene Raucher, nicht wieder zurück zur Tabakzigarette zu wechseln. [6] [7]
Untersuchungen aus den USA zeigen, welche negativen Konsequenzen ein Verbot von Aromen haben kann: Die E-Zigarette verliert einen gravierenden Vorteil gegenüber der Tabakzigarette und eine größere Zahl der Nutzer wechselt wieder zurück zum Rauchen. [8]
Quellen:
[1] Stellungnahme Nr. 043/2021 des BfR vom 28. Dezember 2021. Link
[2] Anlage 2 TabakerzV – Verbotene Inhaltsstoffe in elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern. Link
[3] Gutachten zur Stellungnahme Nr. 043/2021 des BfR vom 28. Dezember 2021, Prof. Dr. Mayer, Graz 30.01.2022. Link
[4] Beschluss des Bundesrates – Zweite Verordnung zur Änderung der Tabakerzeugnisverordnung. (2017) Link
[5] Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA), Dezember 2021, Link
[6] Die Bedeutung von Aromen für den Tabakstopp, BfTG-Faktenpapier 2020, Link
[7] “Konsumgewohnheiten und Motive von E-Zigaretten-Konsumenten in Deutschland – Eine Querschnittsanalyse”, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) 2016. Link
[8] “Responses to potential nicotine vaping product flavor restrictions among regular vapers using non-tobacco flavors”, Addictive Behaviors 2022, Link